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"Ein gewagtes pädagogisches Experiment ", so überschreibt Studiendirektor Heinrich Schulte aus Attendorn, St.-Ursula-Straße 16, die Finnentroper Gymnasialplanung. Darüber war von unserem lug-Redaktionsmitglied am Samstag, 4. Januar, berichtet worden. Heinrich Schulte hat dazu einen kritischen Leserbrief geschickt. Die Redaktion weist darauf hin, daß Leserbriefe nicht mit ihrer Meinung identisch sein müssen und daß sie sich das Recht auf Kürzung immer vorbehält. Hier die Zuschrift:

Bedeutet die Planung eines Progymnasiums in Finnentrop wirklich Fortschritt für die betroffenen Schülerinnen und Schüler? Ist ortsnahe Beschulung allein wirklich eine ausreichende oder gar überzeugende Begründung für die Errichtung eines Progymnasiums in Finnentrop?

Als Pädagoge habe ich die allergrößten Bedenken gegen eine solche Planung, und zwar aus folgenden Gründen:

1. Ein Progymnasium in Finnentrop könnte auch unter der Voraussetzung, daß alle Eltern der Gemeinde Finnentrop ihre Kinder in die neue Schule schickten, in Anbetracht des allgemein bekannten Geburtenrückgangs nur anderthalb bis zweizügig geführt werden. Da heute die Differenzierung im Gymnasium aber schon in der Unterstufe beginnt und sich in der Mittel- und Oberstufe fortsetzt, könnten die Schülerinnen und Schüler nur sehr unzureichend gefördert werden, was sich auf ihre späteren Studienmöglichkeiten sehr nachteilig auswirken würde.

2. Für alle Schülerinnen und Schüler eines Fimnnentroper Progymnasiums wäre nach dem 10. Schuljahr ein Schulwechsel erforderlich. Welche Probleme das mit sich bringt, weiß jeder, der wie ich ein Progymnasium besucht hat.

3. Der Lehrermangel an voll ausgebauten Gymnasien ist auf absehbare Zeit noch beträchtlich. Welche tüchtigen Gymnasiallehrer werden sich für ein Progymnasium interessieren, das ihnen keine Möglichkeit bietet, wissenschaftlichen Unterricht in der Oberstufe zu erteilen?

4. Verbesserte Verkehrsmöglichkeiten der letzten Jahre haben Unzuträglichkeiten des Schülerfahrverkehrs - insbesondere aus dem Frettertal nach Attendorn - spürbar gemildert. Der Zeitgewinn gerade für diese Schülerinnen und Schüler wäre durch die Gründung eines Gymnasiums in Finnentrop minimal. Für die Schüler und Schülerinnen aus Heggen würde auf keinen Fall eine ortsnahere Beschulung erreicht.

Rat und Verwaltung der Gemeinde Finnentrop wollen sicher für ihre Jugend die besten Ausbildungsmöglichkeiten schaffen. Aber tun sie das wirklich, wenn man bedenkt, daß die zugegebene Belastung der Schülerinnen und Schüler durch den Fahrverkehr in keinem Verhältnis steht zu den verringerten Bildungschancen?

Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Schulaufsichtsbehörde zu einem so gewagten Experiment ihre Zustimmung geben wird.