Evangelische Erlöserkirche
Die Evangelische Kirchengemeinde in Attendorn wurde 1849 gegründet, nachdem 1838 ein preußisches Landwehrbataillon nach Attendorn verlegt worden war. Die das Bataillon bildenden Soldaten einschließlich ihrer Familien – Frauen und Kinder – waren evangelische Christen. Sie stammten aus verschiedenen Teilen Preußens, das mehrheitlich evangelisch geprägt war.
Zunächst nutzte die Gemeinde die Aula des städtischen Gymnasiums – an der Stelle, wo sich heute hinter denselben Fensteröffnungen der Ratssaal befindet. 1855 wurden das Pfarrhaus am Klosterplatz und die erste evangelische Kirche im Bereich des heutigen Tourismusverbandes bzw. Jugendamtes eingeweiht. Das ehemalige Pastoratsgebäude wurde im Zuge des Rathausneubaus in den 1980er-Jahren abgerissen.
Mit der fortschreitenden Industrialisierung wuchs die Zahl der zugezogenen protestantischen Arbeitskräfte stetig, sodass die kleine Kirche bald nicht mehr ausreichte. Daher plante die Gemeinde einen Neubau, der genügend Raum für alle Gläubigen bieten sollte. 1911 wurde der Architekt und Kirchenbaumeister Gustav Mucke mit dem Entwurf beauftragt. Zwei Jahre später, 1913, legte man den Grundstein der heutigen Erlöserkirche, die bereits 1914 eingeweiht werden konnte.
Architektur
Die Erlöserkirche in Attendorn ist ein rechteckiger Bau mit einem polygonalen Chor und einem in die Südwand eingebundenen Glockenturm. Halbrund vorspringende Treppentürme führen im Westen zu den Emporen; an den Chor schließt sich eine Sakristei an. Charakteristisch ist die Verwendung von Grauwacke für die Fassaden, während Fenster- und Portalgewände sowie einige Gesimse aus Sandstein bestehen.
Das Hauptportal im Turm zeigt typische evangelisch-lutherische Gestaltungsformen: Vier Konsolen tragen die Köpfe bedeutender Reformatoren – Martin Luther, Philipp Melanchthon, Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen. Der über dem rundbogigen Portal sitzende Schlussstein zeigt im Relief ein zweimastiges Segelschiff als Symbol der Kirchengemeinde.
Im Inneren prägt das quadratische Gewölbe der Saalkirche den Raum. Der Altar wurde 1914 von dem Oberammergauer Bildschnitzer Guido Lang geschaffen; das Taufbecken und die Kanzel stammen aus der Attendorner Schreinerei Göddenhoff und Stinn. Die drei figürlichen Chorfenster – links der „Barmherzige Samariter“, in der Mitte „Christus als Erlöser“, rechts die „Rückkehr des verlorenen Sohnes“ – wurden 1959 vom Attendorner Kunsterzieher Karl Müller neu gestaltet, nachdem die ursprünglichen Fenster von 1914 verloren gegangen waren.
1970 erhielt die Kirche eine neue Orgel aus der Bielefelder Werkstatt Detlev Kleuker, die noch heute in Gebrauch ist. 1997 konnten Teile der ursprünglichen Ausmalung freigelegt und rekonstruiert werden.
Die Erlöserkirche ist innen wie außen ein typisches Produkt ihrer Zeit: Sie verbindet romanische und barocke Formen mit Elementen des Jugendstils, während die Materialwahl teils dem Heimatstil verpflichtet ist. Seit 1984 steht sie unter Denkmalschutz.
Tradition des "Wichernkranz"
Was einst als einmalige Aktion gegen Kinderarmut gedacht war, hat sich längst zu einer lebendigen Tradition entwickelt. Seit mittlerweile 17 Jahren steht der Wichernkranz vor der Kirche, getragen von der großen Glocke, und ist zu einem festen Symbol der Adventszeit in Attendorn geworden. Jedes Jahr wird der zunächst ungeschmückte Kranz vor der Kirche aufgestellt und gemeinsam von Jugendlichen und Erwachsenen liebevoll dekoriert.
Mit Beginn der Adventszeit lädt die Gemeinde zu den Wichernkranzandachten ein: Für jeden Tag wird eine neue Kerze eingedreht, es werden Lieder gesungen, Geschichten erzählt und humorvolle wie auch nachdenkliche Beiträge geteilt.
Doch der Wichernkranz ist mehr als ein festlicher Schmuck. Er erinnert an seinen Ursprung und an den sozialen Auftrag, den Johann Hinrich Wichern einst mit ihm verband. Der Kranz steht als Zeichen der Hoffnung und macht auf Kinderarmut aufmerksam. Durch die gesammelten Spenden können jedes Jahr Gutscheine für Schulmaterialien an Kinder und ihre Familien verteilt werden – so bleibt der Wichernkranz auch heute ein leuchtendes Symbol gelebter Nächstenliebe.