Ennester Tor
Attendorn besaß vier Stadttore, die durch eine umlaufende Stadtmauer miteinander verbunden waren. Das Ennester Tor ist eines der vier.
Als Erzbischof Engelbert I. von Köln 1222 Attendorn die Stadtrechte verlieh, erlaubte er gleichzeitig, die Stadt neu zu befestigen. Zahlreiche Engelbert-Städte im kurkölnischen Westfalen weisen einen identischen Bauplan auf, der sich im Attendorner Stadtgrundriss von heute seit 800 Jahren widerspiegelt. Attendorn besaß vier Stadttore, die durch eine umlaufende Stadtmauer miteinander verbunden waren. Stadtauswärts war der Mauerring durch einen Wassergraben geschützt.
Der aus diesem Graben ausgeschachtete Boden war zu einem Wall aufgeschichtet worden. Somit war die Stadt durch einen dreifachen Befestigungsring mit Wall, Graben und Mauer gesichert. Als nach dem letzten großen Stadtbrand 1783 die mittelalterlichen Mauern keinen strategischen Schutz mehr boten, begann die Bürgerschaft, das Steinmaterial zum Wiederaufbau ihrer Häuser zu verwenden. Die Reste der einst stolzen Stadtbefestigung wurden 1812 abgetragen. Überreste sind heute nur noch Bieke- und Pulverturm sowie Fragmente des ehemaligen Kölner Tores.
Der Feuerteich und seine Bedeutung
Bestandteil der Stadtbefestigung war seit dem Mittelalter der zwischen Ennester Tor und Bieketurm liegende Feuerteich. Dieser wurde mit dem Wasser des Biekegangs gespeist. Vom Feuerteich aus wurden die kreisförmig um die Stadt liegenden Wassergräben mit Wasser gefüllt.
Im Brandfall konnten die beiden Grundzapfen des Feuerteichs gezogen werden, sodass das zu Löschzwecken benötigte Wasser über die Bieketurmstraße und die Truchseßgasse in die Stadt geleitet werden konnte. Auf dem abgebildeten Ausschnitt aus dem Stadtgrundriss von 1810 ist die Fließrichtung des Wassers vom Grundablass des Feuerteichs durch die Bieketurmstraße sehr gut zu verfolgen.
In der ältesten noch vorhandenen Feuerlöschordnung der Stadt Attendorn von 1784 wurde festgelegt, wer im Brandfall aktiv werden musste. Hierbei spielten die städtischen Zünfte eine besondere Rolle. So hatten die Schmiede- und Schreinerzunft sich um die Feuerspritze zu kümmern, Feuerleitern und Haken anzulegen und die Dächer zu besteigen; die Mitglieder der Wollweber-, Leineweber-, Metzger-, Krämer- und Schneiderzunft wurden zum Wasserschöpfen eingeteilt; die Schuhmacherzunft hatte die Brandstelle zu räumen; die Mitglieder der Bäckerzunft hatten die geretteten Gegenstände fortzuschaffen und zu bewachen; schließlich hatten diejenigen Bürger, die keiner Zunft angehörten, beim Wassertragen anzupacken
Das Ennester Tor bestand aus einem Turm an der Außenseite des Stadtgrabens. Dieser Turm enthielt eine Tordurchfahrt, sodass man auf die Brücke kam, die den Stadtgraben überspannte. Ein zweiter Turm, ebenfalls mit Tordurchfahrt versehen, war Bestandteil der Stadtmauer und direkter Zugang zur Ennester Straße.2016 wurden bei den Bauarbeiten zum Kreisverkehrsplatz Ennester Tor große Teile des mittelalterlichen Ennester Tores aufgedeckt und archäologisch untersucht..Heimat der alten Handwerks- und Kaufmannszweige
Während Wasserstraße und Kölner Straße Hauptstraßen im klassischen Sinne waren, an denen sich in der früheren Geschichte der Stadt die wichtigsten Gebäude befanden, haben sich Ennester Straße und Niederste Straße erst im 20. Jahrhundert zu wichtigen Geschäftsstraßen entwickelt.
So war die Ennester Straße Heimat der alten Handwerks- und Kaufmannszweige. Äußerlich ist dies heute sichtbar am 1854 gegründeten Schuhhaus Hammerschmidt, einem Betrieb, der ursprünglich als Schuhmacherwerkstatt der Familie Hoberg begann.
Historisch gesehen waren die Attendorner Kaufleute in der Nikolauskapelle beheimatet, die schon 1328 an der Stelle der heutigen Nikolai Apotheke erwähnt wird. Die Ennester Straße beherbergt heute zahlreiche qualitätsvolle Einzelhandelsgeschäfte und Gastronomie.
Wahrzeichen Bieketurm und Pulverturm
Weitaus bekannter sind die öffentlichen Gebäude, die sich im Umkreis der Ennester Straße befinden. Hierzu gehören in erster Linie Bieketurm und Pulverturm, die einzig erhaltenen Türme der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Der Bieketurm wird heute als Zeughaus der Schützengesellschaft Attendorn genutzt, während der Pulverturm in früheren Jahrhunderten als Gefängnis genutzt wurde und in der Zeit des Ersten Weltkriegs durch das Attendorner Original Ferdinand Bellebaum bekannt wurde, der hier seinen Zichorienkaffee brannte (siehe Bronzetafel am Pulverturm).
Zentraler Platz im Bereich der Ennester Straße ist der Pastoratsplatz mit der vorbildlich restaurierten Fassade des 1786 erbauten Pfarrhauses. Hier ist besonders die rot-weiße Fassung des Fachwerks interessant, die das Haus gegenüber den "normalen" Bürgerhäusern hervorzuheben vermochte.
Ein Kloster an der Hansastraße
Ein weiterer wichtiger Komplex vor den Mauern des Ennester Tores bildet das 1927 an der benachbarten Hansastraße errichtete Franziskanerkloster. Die Franziskaner haben leider im Juni 1998 die Stadt verlassen; auf dem ehemaligen Klostergelände befindet sich heute einen Seniorenheim.
Am Nordwall befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ennester Tor ein imposantes Bruchsteingebäude, das 1906 errichtete "Collegium Bernardinum", war bis 2023 ein Internat für Jungen in Trägerschaft des Erzbistums Paderborn.
Der Fahrzeugverkehr hatte keine Chance
Bis zum Zweiten Weltkrieg fiel die Ennester Straße durch ihre kleingliedrige Bauweise auf. Teilweise ragten die Häuser noch meterweit in die Straßenführung, sodass der stets wachsende Fahrzeugverkehr kaum eine Chance hatte, die Straße zu passieren. Um diese Situation zu ändern, wurden ab etwa 1960 zahlreiche Vorkriegsgebäude durch Neubauten ersetzt, was vor allem dem Verkehr entgegenkam. Doch erst durch das Innenstadtentwicklungskonzept bekam die nach wie vor stark frequentierte Ennester Straße eine angemessene Gestaltung.