Inhalt
Datum: 10.07.2023

Das "Demokratennest" Attendorn

Das Jahr 1848 war eine Zeit, in der in Attendorn wie im übrigen Deutschland die Revolution tobte. Attendorn war in jenen Jahren als "Demokratennest" bekannt.

Die Beginn der Demokratie in Deutschland vor 175 Jahren

Einheit und Freiheit, das forderten die Menschen vor 175 Jahren. Dazu tagte in Frankfurt am Main die Nationalversammlung in der Paulskirche. Heute gilt sie als Beginn unserer Demokratie, die hart erkämpft werden musste. So auch in Attendorn.

Die Revolution von 1848 tobte auch in der Hansestadt

Am 25. März des Jahres 1848 zogen Demonstranten unter der Führung des damaligen Oberprimaners und späteren Dr. Justus Plange durch die Straßen Attendorns und ließen auf dem Marktplatz die Republik hochleben. Eine Bürgerwehr wurde ins Leben gerufen. Attendorn bekam eine demokratische Zeitung, die "Attendorner Blätter". Einen Tag später wehte eine schwarz-rot-goldene Fahne vom Kirchturm. Mit einer großen Illumination und mit einem Feuerwerk hoffte man, der Einheit Deutschlands einen Schritt nähergekommen zu sein.

Ziel der Bewegung war ein freies aktives und passives Wahlrecht für jeden unbescholtenen Bürger, die Öffentlichkeit der Stadtverordnetenversammlungen, die Offenlegung der jährlichen Stadtrechnung, die Berechnung der Kommunalsteuer aus der Grund- und Klassensteuer und die Entschärfung der Feldpolizeiordnung.

Gründung eines "Demokratischen Vereins"

In Attendorn stand die angesehene Familie Plange sowie der Buchbinder Franz Schmidt, Joseph Fernholz und Anton Meyer sowie viele noch unbekannte Personen im Mittelpunkt der Bewegung.

Dr. Theodor Engelbert Plange war Justizkommissar, Rechtsanwalt und Notar in Attendorn. 1847 war er Mitglied des Ersten und nach der Märzrevolution 1848 des Zweiten Vereinigten Landtags. Er gehörte 1848 dem Vorparlament an. 1851 bis 1852 war er für den Wahlbezirk Herzogtum Westfalen und den Wahlkreis der Kollektivstädte Mitglied im Provinziallandtag der Provinz Westfalen. Sein Bruder Josef war ebenfalls Jurist und Justizkommissar in Attendorn.

Am 10. September 1848 wurde in Attendorn ein demokratischer Verein gegründet, dem nicht weniger als 170 Bürger angehörten. Vereinslokal war die Gaststätte "Kuckel" im Herzen der Attendorner Altstadt. 

Plange: "Freigeistige Ideen" sorgten für Schulverweis

Am 15. November 1848 wurde in Münster ein Manifest an das Volk Westfalens veröffentlicht, dass zum Widerstand gegen die Staatsmacht aufrief. Die Ideen des demokratischen Vereins machten sich auch der Oberprimaner Justus, Sohn des Justizkommissar Theodor Plange, und sein Cousin Franz Plange zu eigen. Sie standen für liberale und demokratische Idee ein und wurden zu den bekannten Protagonisten der Volksbewegung 1848. Justus wurde im Oktober 1848 wegen unerbietigen Tadelns und Verspottung der landesgesetzlichen Anordnungen und beabsichtigter "Erregung von Unzufriedenheit gegen die Regierung" angeklagt. Kurz vor dem Abitur wurde er wegen seiner "freigeistigen Ideen" von der Schule verwiesen. Der Referendar Franz Plange sollte im Dezember verhaftet werden, da er enge Kontakte zum Demokratischen Verein Münsters hatte. Landrat Freusberg veranlasste Hausdurchsuchungen. Gesucht wurden Flugblätter des Aufrufs vom 15.11.1848 in der Knapp‘schen Reitbahn in Münster und nach Verbindungen mit dem Demokratischen Verein Münsters.

Justus und Franz setzten sich zunächst nach Paris, dann aber nach Belgien ab. Hier wurden sie auch verhaftet und nach Siegen überstellt. Im November 1852 wurde Justus wegen schriftlicher Beleidigung des Bürgermeisters Becker zu 20 Talern Geldstrafe oder 14 Tage Gefängnis verurteilt. Von der Anklage des Meineides wurde er freigesprochen.

Howald: Entlassung am Gericht

Weitaus schlimmere Konsequenzen hatte der streitlustige Adolf Howald zu tragen. 1848 wurde er aus seiner Stellung als Kanzlist am hiesigen Gericht entlassen, da er sich "an die Spitze der Demokraten stellte" habe. 1849 wurde er zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt, die er 1850 absaß. Danach fand er in Attendorn nur noch eine Arbeit als Fabrikarbeiter.

Bei der Wahlmännerwahl am 22. Januar 1849 wurden in Attendorn nur Demokraten gewählt. Es waren dies die Justizkommissare Theodor und Josef Plange, der Arzt Dr. Eduard Plange, der Ökonom Josef Kost, der Gelbgießer Isphording und der Rentmeister Müller.

Theodor Frey als Vorsitzender überreichte dem Magistrat am 12. Juli 1849 die Statuten des Vereins zur Genehmigung.

"Demokratische Revolution" niedergeschlagen

Inzwischen aber war in Preußen die Reaktion auf den Plan getreten. Die demokratisch gewählte Kammer wurde vom König, der noch knapp ein Jahr vor der Revolution gezittert hatte, aufgelöst.

Auf der Griesemert bei Olpe fand eine Protestkundgebung statt, an der sich auch Attendorner Demokraten beteiligten. Erst nach der Niederwerfung des badischen Aufstands durch preußische Truppen war auch in Attendorn das Rückgrat der demokratischen Volksbewegung (zunächst) gebrochen.

In der Nachbarstadt Olpe ging es in diesen Zeiten übrigens etwas gemächlicher zu. "Allein den revolutionären Schwung wie die Attendorner brachten die Olper damals nicht auf", so die Überlieferung von Zeitzeugen.

Ausstellung "Das Demokratennest"

Unter dem Motto "Das Demokraten-Nest - Schlaglichter auf das 19. Jahrhundert in Attendorn gab es von Juni bis Dezember 2022 eine Ausstellung im Südsauerlandmuseum.

Den von Museumsleiterin Monika Löcken entworfenen Infofolder können sich Interessierte hier herunterladen:

Günther Epe: "Über die Revolution von 1848 im Kreis Olpe" 

Günther Epe informiert in seiner Ausarbeitung “Über die Revolution von 1848 im Kreis Olpe“ ebenfalls über die Geschehnisse in Attendorn.

Harte Zeiten für die Frauen

Zwar hatte die Märzrevolution in Deutschland 1848 den Frauen schon einmal das Vereins- und Versammlungsrecht gebracht. Doch mit der Niederlage der demokratischen Bewegung fielen diese Errungenschaften wenig später der sogenannten Reaktion zum Opfer.

Zum Bericht von Monika Löcken

Demokratie heute

Die Demokratie lebt heutzutage vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern, sie sind die Basis der Staatsgewalt. In Wahlen und Bürgerentscheiden, durch gesellschaftliches und politisches Engagement, und durch ihr Interesse für die diskutierten Themen legen sie die Grundlage für einen funktionierenden Staat.

So steht die Stadtverordnetenversammlung (Stadtrat) der Hansestadt Attendorn fernab von Dreiklassenwahlrecht und preußischem Obrigkeitsdenken in direkter Nachfolge dessen, was die 1848-er Demokraten forderten. Wobei der "Rat der Volksbeauftragten" inmitten der Revolution nach dem verlorenen Weltkrieg 1918 das Frauenwahlrecht ergänzte. Die Ideen von Freiheit, Gleichheit und demokratischer Solidarität sind heute Grundlage eines jeden Ratsentscheids.

Aber auch Seniorenrat und Jugendparlament, ja, jede Klassensprecherwahl in der Schule: Auch in Attendorn gibt es viele Möglichkeiten, die Demokratie durch persönlichen Einsatz zu stärken.

Ratsinformationen

Jugendparlament Attendorn

Seniorenrat Attendorn